24. Internationales Wiener Motorensymposium

Krebsgefährdung durch Dieselmotoren? Neue toxikologische Verfahren zur Bewertung des Risikos von Dieselpartikel

Autoren

Prof. Dr. med. J. Bruch (a,b), Dipl.-Biol. Dr. rer. nat. B. Rehn (b), Dipl.-Biol. F. Seiler (b,c) a: Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen - b: IBE – Institut für biologische Emissionsbewertung GmbH, Marl - c: Squarix GmbH, Marl

Jahr

2003

Druckinfo

Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 539

Zusammenfassung

In der hygienischen Bewertung von Dieselpartikeln haben unterschiedliche Erfahrungsebenen zur Einschätzung eines Krebsrisikos von Dieselruß geführt, so der Gehalt an PAH und anderen organischen Substanzen, die sowohl toxikologisch (i) wie auch beim Menschen (Kokereiarbeiter) krebserzeugend sind (ii). Der Partikelcharakter erwies sich im Rattenmodel als die führende Krebsursache (iii). Schließlich gibt es Erfahrungen an Dieselruß exponierten Kohorten, die als Hinweise oder Beweise einer Krebswirkung betrachtet werden (iv). Eine vom Bundesumweltamt Berlin veranlasste Risikoabschätzung der durch Dieselruß verursachten Krebse des Atemtraktes in der Bevölkerung basiert auf einer Extrapolation der Partikelwirkung in der Ratte (siehe iii), wobei ein lineares, stochastisches Risikomodell angewendet wurde. Als kritisch wird auch die Feinheit der Dieselrussteilchen (Ultrafeinpartikel) in modernen Motoren erachtet; hierbei ist aus toxikologischer Sicht sorgfältig zwischen vereinzelten Ultrafeinteilchen und aggregierten Teilchen zu unterscheiden. Eine quantitative Risikoabschätzung für den Menschen muss den tatsächlichen sehr niedrigen Expositionsbereich in der Umwelt in Verbindung mit der dem Dieselruß eigentümlichem Wirkungsart bewerten. Die toxikologische Prüfung sollte zum einem die zum potentiellen Tumorrisiko führenden Mechanismen (Erkrankungspfad) identifizieren und im weiteren die für die Manifestation kritischen Schritte quantifizieren. Voraussetzung für die Tumorentwicklung ist die persistente Schädigung der Erbsubstanz von proliferationsfähigen Zellen durch das die Tumorinduktion auslösende Agens (a). Die weitere Bedingung ist die Stimulation der Proliferation unter der Exposition; diese Stimulation kann durch das DNA schädigende Agens selbst (b1) oder durch andere bei der Exposition herrschende Umstände (b2) ausgelöst werden. Für die durch Partikel in hoher Dosierung ausgelösten krebserzeugenden Wirkungen wird die chronische Entzündung als Ursache betrachtet. Hierbei entstehen radikalische Molekülspezies (O- und NO-Radikale), die zu eine der oxidativen DNA-Schädigung und zur Mutation führen. Die Proliferation wird durch proinflammatorische Mediatoren angestoßen. In neuen Untersuchungsansätzen können durch die Anwendung immunologischer Marker spezifische DNA-Schädigung sowie die Proliferation in einzelnen Zellen im intakten Lungengewebe quantitativ bestimmt werden. Die Verfahren bewerten sensitiv die für die Tumorentstehung notwendigen (kritischen) Voraussetzungen in einem frühen Stadium des Tumorpfades, wobei die Prüfsubstanzen in einem Mehr-Dosenansatz in niedriger realistischer Dosierung angewendet werden. In jüngster Zeit konnten Schwellenwerte für die durch Partikel (genau: schwer lösliche Partikel) ausgelöste inflammatorische Genotoxizität identifiziert werden; die Schwellen liegen deutlich oberhalb sonstiger lungentoxischer Effekte der untersuchten Substanzen (Hartpartikel wie Feinstäube von Quarz, Titandioaxid, Ruß u. a.). In Verbindung mit weiteren Untersuchungen (in vitro-Genotoxizität, Morphologie der Prozessierung der Feinpartikel in der Lunge) sprechen die Daten für einen Mechanismus der sekundären Genotoxizität der Partikeln. Die Toxizität der Partikel schwankt in einem sehr großen Bereich. Im Prinzip gehen die schädlichen Wirkung von der Oberfläche aus. Hierbei spielt die Größe der biologisch verfügbaren Oberfläche wie auch die spezifische Konformation der chemisch-physikalischen Parameter einer nur 2-3 Moleküllagen dicken Schicht auf der Oberfläche die entscheidende Rolle. An der Modellsubstanz Quarzfeinstaub (>98% SiO2 ) wurden bei verschiedenen Spezies aus unterschiedlicher Lagerstätten Toxizitätsunterschiede (einschließlich Schwelle für Genotoxizität) über 4 Dosisverdopplungsstufen ermittelt; einige Proben hatten eine Aktivität nahe einem Inertstaub (am. nuissance dust). Dies entspricht der Spannbreite, die durch unterschiedliche Staubgrenzwerte wie für Quarzfeinstaub und Allgemeiner Grenzwert für Alveolarstaub gegeben ist. Die chemisch-physikalischen Ursachen sind nur z. T. aufgeklärt und liegen in subtilen Unterschieden der molekularen Struktur der Oberfläche (Dotation durch Fremdionen). Für Dieselruß und einen technischen Ruß konnten wir kürzlich Hinweise für die Existenz eines Schwellenwert für oxidative DNA-Schäden und für Mutagenität finden. Es ist zu vermuten, dass die toxikologische Wirkung von Dieselrußen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Parametern wie Verbrennung und Abgasbehandlung ähnlich stark gespreizt ist. Die Frage einer kanzerogenen Wirkung von am Ruß anhaftenden organischen Bestandteilen ist im Prinzip offen, da die Bioverfügbarkeit und die Genotoxizität in kritischen Zielzellen des Lungengewebes analysiert werden muss. Hierfür stehen ebenfalls spezifische Antikörper zur Verfügung. Auch wäre die Analyse des Schwellenwertes für organische kanzerogene Wirkungen im Hinblick auf umwelttypische Belastungen bedeutend. In diesem Zusammenhang sind die aktuellen technischen Entwicklungen des Motormanagement und der Abgasbehandlung mit einer drastischen Abreicherung organischer Anteile am Dieselrusspartikel in einem Szenario aktualisierter Risikoeinschätzungen von zentraler Bedeutung.

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